2.1 Social Media Affinität – Grundlagen

  • Inhalt: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Social Media Affinität und umfasst den Grundlagenteil. Die praktische Anwendung wird im Kurs pbsm.user – Anwendung behandelt.
  • Nutzen: Bedeutung und praktischer Nutzen der Social Media Affinität für die Strategieentwicklung
  • Funktion: Grundlagenwissen 
  • Position im Strategieprozess: vor Beginn der Strategieentwicklung
  • Key learning: Bedeutung der Social Media Affinität und ihr praktischer Nutzen
  • Lesezeit: ca. 15 Minuten

Lernziel: Social Media Affinität verstehen und erarbeiten.

Grundlagen

Die Frage „Kann mit Hilfe von Social Media in einem bestimmten Markt grundsätzlich etwas erreicht werden?“ sollte durch die Social Media Affinität des Marktes weitgehend beantwortet werden.

Definition

Social Media Affinität ist ein Element des potenzialbasierte Strategiemodell pbsm das aufzeigt auf ob sich mit Social Media generell in einem Markt etwas beeinflussen lässt und wie stark ein bestimmter Markt / bestimmte Themen durch Social Media beeinflusst werden können. 

Strategische Bedeutung der Social Media Affinität

Social Media Affinität ist eine durch den ganzen Prozess der Strategieentwicklung reichendes, grundlegendes Element das den Erfolg einer Strategie im Markt mit definiert.

Wirkungsgrad einer Strategie

Die Social Media Affinität zeigt – über die Social Media Affinität der Themen unserer Strategie – welchen Wirkungsgrad unsere Strategie insgesamt und im Detail haben kann.

  • In Themen mit geringer Social Media Wirkung werden wir auch eine entsprechend geringere Wirkung erzielen können, weil dieses Thema in Social Media nicht die Aufmerksamkeit erhält, die ein Thema mit hoher Social Media Affinität erhält.
  • Ist unsere Strategie überwiegend auf Themen mit geringer Social Media Affinität ausgerichtet, ist dieses Problem entsprechend größer.
  • Verfügen die entscheidenden Themen in unserer Strategie über eine geringe Social Media Affinität ist der wirtschaftliche Nutzen der Strategie entsprechend geringer als wenn nur weniger wichtige Themen eine niedere Social Media Affinität aufweisen.

Social Media Affinität erklärt damit auch, warum Strategien, die in einem Unternehmen sehr erfolgreich sind, in einem anderen Unternehmen alles andere als erfolgreich sein können. Wenn die Themen des in Social Media erfolgreich agierenden Unternehmens eine hohe Social Media Affinität aufweisen, kann die Strategie dieses Unternehmens auf eine entsprechend höhere mögliche Wirkung aufbauen. Sind die Themen des weniger erfolgreichen Unternehmens mit einer deutlich geringeren Social Media Affinität “gesegnet” wirkt das Wirkungspotenzial der Social Media Strategie entsprechend geringer.

Abbildung der Realität

Nicht jedes Thema ist für Social Media gleicher Maßen geeignet, nicht jede Marke ist automatisch social media affin, nicht jedes Geschäftsmodell ist von Social Media in gleichem Maß und mit den selben Chancen und Risiken konfrontiert. Mit der Social Media Affinität erhalten wir eine Möglichkeit diese Individualität von Märkten, Geschäftsmodell und Unternehmenszielen abzubilden, ihr in ihrer strategischen Bedeutung gerecht zu werden und in der Nutzung von Social Media zu berücksichtigen.

Praktischer Nutzen der Social Media Affinität

Die Social Media Affinität hat enormen praktischen Nutzen. Beispielsweise ist damit eine Ursache der Probleme aktiver Strategien im Markt erkennbar oder Probleme künftiger Strategien können im Vorfeld oder bei der Entwicklung vermieden werden.

  • Strategiebewertung bestehende Strategien: Die Social Media Affinität hilft uns bei der Ursachenanalyse von weniger erfolgreichen Social Media Strategien sowie bei der Entscheidung ob diese Strategien besser angepasst werden können oder besser neu aufgesetzt werden sollten.
  • Strategiebewertung Strategieentwürfe: die Social Media Affinität hilft uns bei der Bewertung von Strategieentwürfen. Wir können entsprechende Probleme vorab erkennen und den Strategieentwurf entweder anpassen oder aussortieren.
  • Strategieentwicklung: wir können Social Media Strategien entwickeln, die eine entsprechend höhere Erfolgschance haben, weil sie erkennbare Probleme aus unzureichender Social Media Affinität vermeiden. In dem sie sich beispielsweise auf Themen fokussieren die anhand ihrer Social Media Affinität Erfolg versprechender sind. Dies trägt auch zur Effektivität von Strategien bei.

Analogie Social Media Affinität

Zum Verständnis ein analoges Beispiel, das natürlich nicht perfekt ist: stellen Sie sich zwei Sportwagen vor, die sich nur in einem Punkt unterscheiden. Fahrzeug 1 hat ein Getriebe mit 5 Gängen bei dem alle Gänge nutzbar sind. Fahrzeug 2 hat das selbe Getriebe, kann aber nur den 1. Gang nutzen. Wer hat im direkten Wettbewerb bessere Chancen?

Social Media Affinität als Eigenschaft

Wir messen Social Media Affinität nicht als losgelöste Größe sondern als Eigenschaft eines Themas im weitesten Sinn. Das heißt, das neben Themen im engeren Sinn beispielsweise auch Marken eine eigene Social Media Affinität aufweisen.

Social Media Affinität ist individuell und veränderbar

Social Media Affinität drückt ein Veränderungs- oder Beeinflussungspotenzial via Social Media in Märkten aus. Dieses Veränderungs- oder Beeinflussungspotenzial ist auch individueller Natur denn Menschen greifen in ihrer Meinungsbildung unterschiedlich stark auf die Meinung und Erfahrung anderer zurück. Einige Menschen orientieren sich an anderen, andere wiederum bilden sich ihre Meinung weitgehend autark.

Quellen der Social Media Affinität

Wir sollten Social Media Affinität nicht als unveränderlichen Gesetzmäßigkeit sehen, sondern als sich verändernden und veränderbaren Einflussfaktor. Einen Einflussfaktor, der in seinen Auswirkungen allerdings sehr fundamental ist. Einerseits wird die tägliche Arbeit durch die Individualität und Variabilität der Social Media Affinität leider nicht erleichtert, andererseits ermöglicht es diese Individualität Meinungen zu beeinflussen. 

Social Media Affinität entsteht durch Nutzen. Social Media Affinität drückt sich in einem Verhalten aus. Dieses Verhalten wird nicht zuletzt durch einen Nutzen beeinflusst, der durch Social Media ermöglicht wird. Wenn Social Media für User einen für diese User erstrebenswerten Nutzen stiftet, entsteht daraus eine Präferenz – im Sinn einer Anziehung oder einer Bevorzugung – für Social Media. 

Social Media Affinität durch Nutzen

Stellen Sie sich ein Thema vor, das User interessiert. Bringt die Beschäftigung mit diesem Thema in Social Media diesen Usern keinen praktischen Nutzen, wird dieses Thema in Social Media weniger Aufmerksamkeit erhalten, als wenn aus der Beschäftigung mit diesem Thema in Social Media ein deutlicher, attraktiver Zusatznutzen (durch Social Media) entsteht.

Messung der Social Media Affinität 

Wir messen die Social Media Affinität von Themen über

  • die Kommunikationsintensität: also ob über das Thema in Social Media kommuniziert wird und wie intensiv diese Kommunikation ist.
  • den Organisationsgrad der Kommunikation: also in welchem organisatorischen Rahmen die Kommunikation in Social Media stattfindet. Ob eher beiläufig in der allgemeinen Kommunikation oder in Form eigener Bereiche innerhalb von Social Media. Der Organisationsgrad der Kommunikation kann dabei mehrere Formen beinhalten – bis hin zur ganzen möglichen Bandbreite – und innerhalb von Nutzergruppen breit variieren.

Hinweis zur Messung der Kommunikation für die Ermittlung der Social Media Affinität

Wir können in der Praxis nur die Kommunikation zur Ermittlung der Social Media Affinität nutzen, die öffentlich sichtbar ist. Kommunikation in geschlossenen Räumen ist nicht für die Ermittlung der Social Media Affintät von Themen nutzbar. Dies kann Ergebnisse verzerren, was wir insbesondere bei Themen berücksichtigen müssen, die auf eine vermehrt oder überwiegend privat stattfindende Kommunikation schließen lassen.

Kommunikationsintensität

Die Regelmäßigkeit der Kommunikation zu einem Thema gibt Hinweise auf die Bedeutung des Themas für die jeweiligen User. Über Kommunikationsintensität erhalten wir also einen Eindruck davon, wie wichtig / ausgeprägt die Kommunikation zu einem Thema ist. Das wiederum verstehen wir als Bedeutung des Themas für die User. Die unterschiedliche Bedeutung von Themen für User nutzen wir um die Prioritäten von Themen (für die User) festzustellen. 

Für das Unternehmen können Themen eine hohe Priorität besitzen, die für User weitaus weniger relevant sind. Entscheidend ist die Relevanz von Themen für die User. Der Köder muss nun mal dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Wenn unsere Themen für die User eine geringe Relevanz aufweisen, müssen wir dies akzeptieren und das Problem anderweitig lösen. 

Der Einfachheit halber unterscheiden wir zwischen

  • seltenem auftauchen des Themas
  • häufigem bis regelmäßigem auftauchen des Themas
  • permanenter Präsenz des Themas.

Bitte merken: Häufigkeit und Intensität des Austausches zwischen Social Media Usern über ein Thema nehmen wir als einen Gradmesser für die Social Media Affinität. Für die Wirkung des sozialen Kontexts wird der Austausch zwischen den Usern benötigt. Ansonsten findet die Wirkung nicht statt. 

Hinweis zur Social Media Wirkung

Ist der Austausch in einer Social Media Präsenz funktional gesehen nicht optimal oder (technisch / konzeptionell) behindert, wird auch die Wirkung des sozialen Kontexts – also die Social Media Wirkung – behindert. In einem solchen Fall ist die Social Media Affinität des Themas möglicherweise zwar hoch – die Social Media Wirkung bleibt trotzdem gering. Zudem leidet die Neigung zum Austausch, was dann irrtümlicher Weise auf eine geringere Social Media Affinität schließen läßt.  
Diese Fälle treffen wir überall dort an wo der Austausch in einer Social Media Präsenz suboptimal ist. Also häufig. Achten Sie also deshalb auch darauf, wie gut die Kommunikationsfunktionen für die Themen sind, die Sie monitoren / beobachten.

Organisationsgrad der Kommunikation

Bedeutung und Umfang des organisatorischen Rahmens der Kommunikation lassen Rückschlüsse auf die Bedeutung des Themas zu. 

  • Findet die Kommunikation zu einem Thema in einem dafür eigens geschaffenen Rahmen statt, ist dies ein Zeichen für ein intensiveres und stetigeres Interesse an einem Thema. Ein eigens geschaffener Rahmen ist beispielsweise ein Bereich in einem Forum, eine eigene Rubrik in einer Audience oder eigene Gruppen in Communities oder Social Networks.
  • Gibt es für ein Thema eigene Präsenzen und Plattformen ist dies ein Indiz für eine hohe permanente Bedeutung des Themas und eine besonders hohe Social Media Affinität. Eigene Präsenzen und Plattformen sind beispielsweise eigene Foren zum diesem Thema / diesem Themenbereiche, eigene Audiences und eigene Communities oder Social Networks.

Sozialer Kontext als Kriterium für Social Media Affinität

Als Kriterium für eine vorhandene Social Media Affinität nehmen wir die Auswirkung von sozialen Kontext, der die Beeinflussung von Entscheidungen, Einschätzungen oder Verhalten durch ein soziales Umfeld und oder soziale Kommunikation ausdrückt.

Social Media Affinität drückt also aus, wie sehr die Einschätzung und Bewertung eines Themas, einer Marke, eines Bedürfnis, eines Problem oder einer Leistung durch die Meinung und Einschätzung anderer beeinflusst werden kann. Je mehr wir auf unser soziales Umfeld bei diesen Themen hören, desto höher ist auch die Social Media Affinität dieser Themen. 

Sozialer Kontext und seine Beeinflussung findet auch ausserhalb von Social Media statt. Wir fokussieren uns auf Social Media weil wir eine Social Media Strategie erstellen wollen. 

Sozialer Kontext funktioniert in Social Media durch Information und Kommunikation. Finden weder Information noch Kommunikation in irgend einer Weise im sozialen Kontext statt, findet auch keine Wirkung des sozialen Kontexts statt. 

Man kann in diesem Fall auch den sozialen Kontext an sich in Frage stellen, weil Kommunikation eines der Grundlagen des sozialen Kontexts ist. 

Sozialer Kontext und Themen

Information und Kommunikation beschäftigen sich mit Themen. Ohne Inhalte keine Information und Kommunikation in Social Media. (Ja, auch Smileys sind Inhalte.)

Inhalte und Themen beschreiben nicht nur Märkte. Inhalte und Themen sind auch der Weg über den sozialer Kontext wirkt. Damit sind Themen und Inhalte doppelt wichtig für unsere Absicht mit Hilfe von Social Media den Erfolg des Unternehmens zu unterstützen und zu steigern.

Messung der Social Media Affinität durch Monitoring

Durch Monitoring wird ermittelt 

  • wie oft (Häufigkeit) 
  • wo (Plattform, Organisationsform der Kommunikation)
  • von wem (User, Influencer)
  • wie (Sentiment, Inhalt)

über das jeweilige Thema gesprochen wird und auch welche Wirkung (Weiterverbreitung) diese Kommunikation in Social Media zeigt. 

Einschränkung: Social Media Monitoring deckt nur öffentlich zugängliche Quellen ab. 

Qualität der Social Media Monitoring Tools

Bitte merken und beachten: Social Media Monitoring bezieht sich hier ausschließlich auf den Einsatz professioneller Tools. Kostenfreie Tools sind in ihrer Qualität zu oft fragwürdig. Vermeiden Sie es ihre Strategie auf fragwürdige Ergebnisse aufzubauen. Und hinterfragen Sie die Interpretation der Ergebnisse grundsätzlich. Sie lernen dazu und erfahren gleichzeitig wie fundiert das know how Ihres Monitoringspezialisten ist. 

Unser Monitoring sollte folgende Fragen beantworten:

  1. Welche Themen bewegen die Menschen in meinen Markt (am meisten)?
  2. Wie regelmäßig ist die Kommunikation zu (welchen) Themen unseres Marktes?
  3. Welche Protagonisten (Quellen, Medien, User, Multiplikatoren, Anbieter) sind erkennbar?
  4. Haben sich die User unseres Marktes bereits organisiert (Gruppen, Foren, Communitys)?
  5. Welche externen Plattformen sind wichtig?
  6. Zusätzlich sollten wir – aus externen oder Studien oder einem Wissen / Befragungen – über ausreichend belastbare Erkenntnisse zum Kaufverhalten und der Rolle von Social Media / dem Empfehlungsmarketing verfügen.

Hier sollten Sie den reichen Wissens- und Erfahrungsschatz von Markting, Mafo und Vertrieb nutzen.

Empfehlung Monitoring

  • Prüfen Sie ob alle relevanten Quellen der Social Media Kommunikation ihres Themas / Marktes abgedeckt sind. 
  • Achten Sie beim Monitoring nicht nur auf die Qualität des Monitoringtools sondern auch auf die entsprechend qualifizierte Interpretation der Ergebnisse. 
  • Ziehen Sie für die Interpretation von Ergebnissen des Monitoring Experten Ihres Dienstleisters hinzu. 

Strategische Bedeutung der Social Media Affinität

Wirkungsgrad einer Strategie

Die Social Media Affinität zeigt uns – über die Social Media Affinität der Themen unserer Strategie – welchen Wirkungsgrad unsere Strategie insgesamt und im Detail haben kann.

  • In Themen mit geringer Social Media Wirkung werden wir auch eine entsprechend geringere Wirkung erzielen können, weil dieses Thema in Social Media nicht die Aufmerksamkeit erhält, die ein Thema mit hoher Social Media Affinität erhält.
  • Ist unsere Strategie überwiegend auf Themen mit geringer Social Media Affinität ausgerichtet, ist dieses Problem entsprechend größer.
  • Verfügen die entscheidenden Themen in unserer Strategie über eine geringe Social Media Affinität ist der wirtschaftliche Nutzen der Strategie entsprechend geringer als wenn nur weniger wichtige Themen eine niedere Social Media Affinität aufweisen.

Probleme berühmter Marken

Einige berühmte Marken erzielen in Social Media eine relativ zu ihrer Bedeutung geringere Aufmerksamkeit und Reaktion. Es fällt ihnen über ihre bestehenden Marketingkanäle relativ leicht Reichweite in Social Media aufzubauen aber es fällt ihnen deutlich schwerer diese Reichweite aktiv zu halten oder zu einem gewünschten Verhalten zu aktivieren.

Die Social Media Affinität der Marke ist eine möglich Erklärung für diese Situation. Eine geringe Social Media Affinität zeigt auf, das trotz einer hohen Bekanntheit die Marke selbst in Social Media eine deutlich geringere Rolle spielt. Die Ursache dafür liegt nicht zuletzt in der Nutzenstiftung der Marke in Social Media den wir im potenzialbasierten Strategiemodell als UserNutzen bezeichnen.

Ein Lösungsansatz dafür ist naheliegend wie einfach: der Aufbau einer überzeugenden Nutzenstiftung durch die Marke in Social Media. Die Umsetzung dieser Lösung – dem UserNutzen durch die Marke – ist deutlich weniger einfach. Es dürfte im Gegenteil nicht einfach sein, einen gemeinsamen UserNutzen zu finden, der die User in Social Media begeistert, der dauerhafter Natur ist und die ganze Breite der User mit Interesse an dieser Marke abdeckt und der – nicht zu vergessen – auch noch dauerhaft realisierbar ist.

Eine Herausforderung für die kleinen grauen Zellen zwischendurch.

Notieren Sie sich zwei, drei bekannte, große b2c Marken (wie z. B. Coca Cola, Nike und Volkswagen und überlegen Sie welcher UserNutzen in Social Media von den Marken dauerhaft realisiert werden könnte, der die ganze Bandbreite der User erreichen und motivieren kann und welche Voraussetzungen für diesen UserNutzen geschaffen werden müssten.